Wir trauern um Gustavo Esteva (20. August 1936 in Mexiko-Stadt; † 17. März 2022 in Oaxaca).
Er war langjähriges Mitglied des Internationale Beirats der “Planetaren Bewegung für Mutter Erde” – PBME.
Gustavo starb am 17.03.2022 im 86. Lebensjahr in Oaxaca in seiner Heimat Mexiko.
Gustavo war jahrzehntelang ein enger Freund und Kollege, ein bekannter Intellektueller, Schriftsteller und Aktivist toltekischer Herkunft.
Er bezeichnete sich selbst als „deprofessionalisierten Intellektellen“, nachdem er Ende der 1980er Jahre seine beruflichen Tätigkeiten in der Hauptstadt aufgegeben hatte und in den Süden des Landes, nach Oaxaca, gezogen war. Dort gründete er die „Universidad de la Tierra“, UNITIERRA, eine international besuchte Stätte der unabhängigen Lehre, der Vermittlung, der Publikation und des Austauschs mit den Menschen vor Ort. Gustavo war auch Berater der Zapatistischen Befreiungsbewegung nach ihrem Aufstand von 1994 in Chiapas.
1995 besuchte ich mit ihm das Gebiet um San Cristobal de las Casas und weitere Gemeinden in Chiapas. Wir hatten uns 1985 durch Ivan Illich kennengelernt, der lange in Mexiko lebte und mit Gustavo befreundet war. Es war die Zeit des großen Erdbebens in und um die mexikanische Hauptstadt. Ich war dabei, als die Veranstaltungen der Alternativbewegungen stattfanden, die danach nicht „zurück zur Normalität“ wollten, sondern andere Lebensmodelle in Mexiko aufbauten und propagierten. Wir sahen uns danach in Deutschland, wo sein Buch „Fiesta. Jenseits von Entwicklung, Hilfe und Politik“ übersetzt und veröffentlicht wurde und später in Österreich. Zuletzt trafen wir uns 2005 kurz vor den Volksaufständen in Oaxaca, 2012 bei einer Gedenkfeier zum 10-jährigen Todestag von Ivan Illich in Cuernavaca, 2013 in Slovenien zu einem Treffen mit dem berühmten Bauernforscher Teodor Shanin, der sein Freund war, und Ende 2015 beim 14-tägigen Grassroot-Treffen „Tejiendo Voces por La Casa Comun“, das an verschiedenen Orten in ganz Mexiko stattfand.
Für die PBME hat er sich etwa engagiert, indem er half, 2018 Rosalie Bertell auf Spanisch bei dem indigenen Verlag La Casa del Mago in Gudalajara zu veröffentlichen, und ein Vorwort dafür schrieb. Er sagte, das Werk von Rosalie sei „eine Bombe“. Es wurde nun endlich in Mexiko und ganz Lateinamerika bekannt.
Gustavo war von Beginn an Mitglied des Internationalen Beirats der PBME. Wir befanden uns in einem ständigen regen intellektuellen Austausch und dies gerade auch in Bezug auf das Werk Ivan Illichs. Gustavo hatte sich auch mit unserer patriarchatskritischen Forschung angefreundet, wie sie vor allem im Forschungsinstitut für Patriarchatskritik und Alternative Zivilisationen – FIPAZ diskutiert wird. Gustavo war der Visionär einer nicht mehr „entwickelten“ Welt, ein international gefragter Redner, veröffentlichte unzählige Bücher, Artikel und Kolumnen, und war vor allem ein ganz besonderer Freund, der eine große Lücke hinterlässt.
Unser Beileid gilt insbesondere seiner Partnerin Nicole Blanc, seiner Familie sowie den MitarbeiterInnen der UniTierra und den Freunden bei den Zapatisten.
Claudia von Werlhof, 15.04.2022